Konsequenzen aus dem Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) für Bayern und in Deutschland (inkl. der ePA) – Stand Dez. 2023

Das Europäischen Parlament hat den Beschluss zur Schaffung eines Europäischen Gesundheitsdatenraums angenommen, um den Zugang zu persönlichen Gesundheitsdaten zu erleichtern und den sicheren Austausch zu fördern. Was wurde genau festgelegt? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Der neue Europäische Gesundheitsdatenraum (engl. European Health Data Space, EHDS) würde es den Bürgern ermöglichen, ihre persönlichen Gesundheitsdaten zu kontrollieren und den sicheren Austausch zu Forschungs- und uneigennützigen Zwecken zu erleichtern.

Ziel der vorgeschlagenen EHDS-Verordnung ist es, den Zugang von Einzelpersonen zu ihren personenbezogenen elektronischen Gesundheitsdaten und ihre Kontrolle darüber zu verbessern (sog. Primärdatennutzung). Gleichzeitig soll die Weiterverwendung bestimmter Daten für Forschungs- und Innovationszwecke erleichtert werden (sog. Sekundärdatennutzung). Im Vorschlag ist eine gesundheitsspezifische Datenumgebung vorgesehen, die dazu beitragen wird, einen Binnenmarkt für digitale Gesundheitsdienste und -produkte zu fördern. Die EU-Länder werden ferner verpflichtet, eine digitale Gesundheitsbehörde zur Umsetzung der neuen Bestimmungen einzurichten.

Was wurde festgelegt:

1. Primärdatennutzung:

Das Gesetz würde den Patienten das Recht geben, auf ihre persönlichen Gesundheitsdaten in den verschiedenen Gesundheitssystemen der EU zuzugreifen (sog. Primärnutzung), und den Angehörigen der Gesundheitsberufe erlauben, auf die Daten ihrer Patienten zuzugreifen, und zwar ausschließlich auf der Grundlage dessen, was für eine bestimmte Behandlung erforderlich ist. Der Zugang würde Patientenübersichten, elektronische Verschreibungen, medizinische Bilder und Laborergebnisse umfassen.

Jedes Land würde auf der Grundlage der EU-Plattform MyHealth@EU nationale Dienste für den Zugang zu Gesundheitsdaten einrichten. Das Gesetz wird auch Regeln für die Qualität und Sicherheit der Daten von Anbietern elektronischer Patientendatensätze (EHR) in der EU festlegen, die von den nationalen Marktaufsichtsbehörden zu überwachen sind.

Opt-out-Regelung bei der ePA inklusive

Der Änderungsantrag 555 (https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-9-2023-0395-AM-555-555_EN.pdf) wurde angenommen. Danach dürfen die Mitgliedstaaten ein opt-out Recht (Widerspruchsrecht) im Rahmen der Primärdatennutzung vorsehen. Nun ist die Position des Rates und des Parlaments in dem Punkt opt-out (Widerspruchsrecht) im Primärnutzungsbereich angeglichen. Damit ist das deutsche Konzept (opt-out im Hinblick auf die ePA) nach dem Standpunkt des Parlaments und des Rates weiterhin realisierbar.

Nach der EHDS-VO werden Einzelpersonen einen schnelleren und einfacheren Zugang zu ihren elektronischen Gesundheitsdaten erhalten, unabhängig davon, ob sie sich in ihrem Heimatland oder in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten. Dies wird die Bereitstellung einer sichereren Gesundheitsversorgung über Grenzen hinweg erleichtern und so den EU-Bürgern zugutekommen. Es soll z.B. möglich werden, dass ein deutscher Tourist eine Verschreibung in einer spanischen Apotheke abholt oder, dass Ärzte auf die Gesundheitsinformationen eines belgischen Patienten zugreifen können, der in Italien behandelt wird.

Hierfür wird die bereits bestehende Infrastruktur zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs elektronischer Gesundheitsdaten (MyHealth@EU) ausgebaut. Auf nationaler Ebene werden die Stellen für den Zugang zu Gesundheitsdaten Anträge auf Datenzugang prüfen und Datengenehmigungen erteilen.

2. Sekundärdatennutzung:

Der EHDS würde es ermöglichen, dass aggregierte Gesundheitsdaten, einschließlich Daten über Krankheitserreger, Gesundheitsansprüche und Kostenerstattungen, genetische Daten und Informationen aus öffentlichen Gesundheitsregistern, aus Gründen des öffentlichen Interesses (einschließlich Forschung, Innovation, Politikgestaltung, Bildung und Patientensicherheit) weitergegeben werden. Daten, die zu Forschungszwecken weitergegeben werden, sollen zur Entwicklung neuer Medikamente oder anderer Produkte und Dienstleistungen im Gesundheitswesen führen.

Die EU-Abgeordneten wollen, dass Patienten mehr Mitspracherecht bei der Verwendung ihrer Daten durch die Gesundheitsdienstleister haben. Sie schlagen ein Opt-out-System für die Sekundärnutzung der meisten Gesundheitsdaten vor und fordern, dass für die Sekundärnutzung bestimmter sensibler Daten (z.B. genetische und genomische Informationen) die ausdrückliche Zustimmung des Patienten (opt-in) erforderlich ist.

Das EU-Parlament strebt auch eine Ausweitung der zu verbietenden Sekundärnutzungen an, z.B. auf dem Arbeitsmarkt oder für Finanzdienstleistungen. Auch die Weitergabe von Daten zu Werbezwecken oder zur Beurteilung von Versicherungsanträgen wird untersagt. Die Abgeordneten wollen sicherstellen, dass alle EU-Länder ausreichend Mittel erhalten, um die Sekundärnutzung von Daten zu schützen und zu vermeiden, dass Daten unter geistige Eigentumsrechte fallen oder Geschäftsgeheimnisse.

Sekundärdatennutzung in der Forschung

Forscher sowie politische Entscheidungsträger werden aufgrund des EHDS auf bestimmte Arten anonymisierter und sicherer Gesundheitsdaten zugreifen können. So können sie das enorme Potenzial der EU-Gesundheitsdaten nutzen, um diese für die wissenschaftliche Forschung auszuwerten, bessere Behandlungen zu entwickeln und die Patientenversorgung zu verbessern.

3. Sicherstellung der Interoperabilität

Der derzeitige Grad der Digitalisierung von Gesundheitsdaten in den EU-Mitgliedstaat ist unterschiedlich, was den Austausch von Daten über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg erschwert. Nach der vorgeschlagenen Verordnung müssen alle Systeme für elektronische Patientenakten (European Health Record Systems, EHR-Systeme) den Spezifikationen des europäischen Austauschformats für elektronische Patientenakten entsprechen, womit ihre Interoperabilität auf EU-Ebene gewährleistet wird.

4. Auswirkungen auf Bayern/Deutschland:

Sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat haben in ihren Standpunkten festgelegt, dass die EU-Bürger der Registrierung ihrer Daten in der ePA widersprechen dürfen (opt-out), wenn der jeweilige Mitgliedstaat eine entsprechende nationale Regelung vorgesehen hat. Damit wird es zumindest in Deutschland keine zwingende elektronische Patientenakte (ePA) geben.

Ersteinschätzung/Auswirkungen auf Deutschland

Die roten Linien der Bundesregierung wurden eingehalten. Nach der Textfassung des Rates bleibt es den Mitgliedstaaten weiterhin möglich, ein opt-out im Hinblick auf die Primärdatennutzung zu regeln. Damit ist das deutsche Konzept (opt-out im Hinblick auf die ePA) nach dem Standpunkt des Rates weiterhin realisierbar.

„Die Digitalisierung von Gesundheitsdaten in der EU bringt potenziell enorme Vorteile für Patientinnen und Patienten, medizinische Fachkräfte und die Forschung. Bislang wurde dieses Potenzial jedoch nicht ausgeschöpft. Das heute vereinbarte Mandat betrifft einen EU-weiten Raum für Daten, mit dem ein sicherer und effizienter Austausch von und Zugriff auf Gesundheitsdaten ermöglicht wird“.- Mónica García Gómez, spanische Ministerin für Gesundheit

5. Zitate:

Annalisa Tardino (ID, Italien), Mitberichterstatterin des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, sagte: „Der Europäische Gesundheitsdatenraum wird dazu beitragen, den Patienten überall in der EU eine hochmoderne Gesundheitsversorgung zu bieten. Wir haben den Schutz sensibler personenbezogener Daten in den Text aufgenommen, um ein Gleichgewicht zwischen dem Austausch von Gesundheitsdaten für die Behandlung und lebensrettende Forschung und dem Schutz der Privatsphäre unserer Bürger herzustellen.“

Tomislav Sokol (EVP, Kroatien), Mitberichterstatter des Umweltausschusses, sagte: „Der Europäische Gesundheitsdatenraum ist ein zentraler Baustein der Europäischen Gesundheitsunion und ein Meilenstein in der digitalen Transformation der EU. Er ist eine der wenigen EU-Rechtsvorschriften, mit denen wir etwas völlig Neues auf europäischer Ebene schaffen. Er wird die Bürgerinnen und Bürger stärken, indem er die Gesundheitsversorgung auf nationaler und grenzüberschreitender Ebene verbessert, und er wird den verantwortungsvollen Austausch von Gesundheitsdaten erleichtern und so Forschung und Innovation fördern.“

Angelika Niebler (CSU), Co-Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe, Vorsitzende der CSU-Europagruppe im Europaparlament:

„Diese Verordnung wird einen riesigen Nutzen für Patientinnen und Patienten bringen. Erstmals werden die eigenen Gesundheitsdaten sofort und kostenlos über das Smartphone oder die elektronische Gesundheitskarte zugänglich. Mit der neuen digitalen Patientenakte werden Arztbesuche in anderen Mitgliedstaaten problemlos möglich. Wer schon einmal einen medizinischen Notfall im Ausland hatte, weiß, wie schwierig es ist, den behandelnden Mediziner über Vorerkrankungen, Medikamente oder Allergien zu informieren. Mit der digitalen Patientenakte können Medikationspläne, medizinische Bilder oder Laborergebnisse einfach mit Ärzten geteilt werden. Das ist ein echter Quantensprung für Patientinnen und Patienten. Patientinnen und Patienten werden selbst entscheiden können, wer auf ihre Gesundheitsdaten zugreifen darf, was er sehen soll, und welche Daten verborgen bleiben.“

Peter Liese (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion:

„Die Entscheidung ist auch sehr wichtig für Wissenschaftler, die Patienten helfen wollen, denen wir bisher nicht ausreichend helfen konnten, zum Beispiel Krebspatienten. In anonymisierter Form, das heißt ohne Rückverfolgbarkeit zu einem speziellen Patienten, werden sie die Daten nutzen können, wenn die Bürgerinnen und Bürger dem nicht widersprechen. Krebsforscher aus ganz Europa haben verzweifelt auf diesen Beschluss gewartet. Es kann nicht sein, dass die Durchführung klinischer Studien zur Verbesserung der Heilungschancen von Krebspatienten an Hürden des Datenaustauschs scheitert. Es ist höchste Zeit, dass Europa auch im Medizinbereich weiter zusammenwächst.“

6. Der Standpunkt des Rates und weitere Schritte

Mit dem gestern Abend vereinbarten Mandat wird nach der Pressemitteilung des Rates der Vorschlag der Kommission in einer Reihe von Schlüsselbereichen weiterentwickelt:

  • Nichtbeteiligung – es liegt im Ermessen der Mitgliedstaaten, den Patienten die Möglichkeit zu geben, sich nicht an dem neuen Datenaustauschsystem zu beteiligen.
  • Klarheit – das Mandat des Rates schafft mehr Klarheit in Fragen wie dem Anwendungsbereich der Verordnung, der Angleichung an die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und den Kriterien für die Gewährung des Zugangs zu elektronischen Gesundheitsdaten;
  • Lenkungsgruppen – in seinem Mandat schlägt der Rat die Einsetzung von zwei Lenkungsgruppen zur Verwaltung von MyHealth@EU und HealthData@EU vor, die sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzen. Andere Interessenträger können als Beobachter eingeladen werden, um relevante Fragen zu erörtern;
  • Governance – das Mandat erweitert die Rolle der EU-Mitgliedstaaten im Verwaltungsrat des vorgeschlagenen EHDS und verpflichtet die nationalen digitalen Gesundheitsbehörden, alle zwei Jahre einen Tätigkeitsbericht zu veröffentlichen;
  • EHR – gemäß dem Mandat des Rates sind im europäischen Austauschformat für elektronische Patientenakten getrennte nationale und grenzüberschreitende Profile möglich;

Im Rahmen des Mandats wird der Geltungsbeginn der Verordnung auf zwei Jahre nach ihrem Inkrafttreten verschoben.

Nächste Schritte in der EU

Der EU-Ratsvorsitz hat nun das Mandat, so bald wie möglich Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament aufzunehmen, damit eine vorläufige Einigung über die vorgeschlagene Verordnung erzielt werden kann. Am kommenden Mittwoch (13.12.2023) soll das Plenum des Europäischen Parlaments über den EHDS abstimmen, letzte Änderungen sind bis dahin möglich. Am Donnerstag, den 14.12.2023 folgt dann der erste Trilog zwischen EU-Rat, EU-Parlament und EU-Kommission, statt. Es herrscht einen hohen politischen Druck mit dem EHDS vor der Europawahl im kommenden Sommer fertig zu werden.

7. Weitere Informationen:

Hintergrund

Am 03.05.2022 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung zur Schaffung eines Europäischen Raums für Gesundheitsdaten (EHDS). Der Vorschlag behandelt den ersten von neun europäischen sektor- und bereichsspezifischen Datenräumen, die die Kommission in ihrer Mitteilung „Eine europäische Datenstrategie“ aus dem Jahr 2020 vorgestellt hat. Der EHDS gilt als zentrale Säule der Europäischen Gesundheitsunion.

Siehe auch den dazu passendenden Beitrag „eHealth-Update 2401: KI reguliert, eRezept startet schwer„.

Bild: EUkommision_KI_GSM-Worldcongress_2016_P030975002902-627358 via https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_21_1682,
Mein-apothekenportal.de eRezept_Registrierung_DAV_7eed3f6a8f

Dieser Beitrag wurde unter eHealth, Healthcare, IT/Cloud, MedTech, PA, Public Affairs abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.